In sieben von zehn Fällen nehmen Herr und Frau Schweizer laut einer Umfrage für ihre Ausgaben Bargeld in die Hand.

Ist Bares bald nicht mehr Wahres?

Kartengeld, Kryptowährungen und Bezahl-Apps wie Twint machen dem Bargeld Konkurrenz. Aleksander Berentsen, Professor für Geldtheorie und Geldpolitik in Basel, prognostiziert Noten und Münzen das baldige Verschwinden.
ValOr-14.2.2019|6min
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Herr Professor Berentsen, tragen Sie selbst noch Bargeld in der Tasche?

Ja, zufällig habe ich gerade heute ein paar Noten aus dem Bancomaten bezogen. Zuvor allerdings bin ich während rund drei Wochen ohne Bargeld ausgekommen. Als aber der Kartenleser im Restaurant streikte, musste ich einen Kollegen anpumpen.

 

Bargeld, speziell die 200er- und die 1000er-Note, gerät immer wieder in Verdacht, die Geldwäscherei und andere kriminelle Transaktionen zu erleichtern. Stimmt das?

In der Tat hat der Gebrauch grosser Noten nach der Finanzkrise vor rund zehn Jahren stark zugenommen. Allerdings nicht wegen zunehmender krimineller Transaktionen, sondern weil sehr viele Bürger wegen der tiefen Zinsen und der Unsicherheiten in den Finanzmärkten dazu übergegangen sind, Bargeld im Tresor zu horten.

 

Wie wichtig ist Bargeld heute noch?

Es ist ohne Zweifel immer noch ein sehr wichtiges Zahlungsmittel, gerade in der Schweiz und auch in Deutschland. Aus zwei Gründen könnte es aber mehr und mehr verschwinden. Erstens wegen der raschen technologischen Entwicklung des elektronischen Geldes, das immer einfacher zu handhaben ist, und zweitens wegen des politischen Drucks.

 

«Bargeld wird verschwinden, dazu stehe ich.»
Aleksander Berentsen

 

Kommt dieser Druck vor allem aus der EU?

In der EU, aber auch in den USA gibt es starke Kräfte, die das Bargeld ganz abschaffen oder auf kleine Noten beschränken möchten. Dies einerseits, um die Steuerhinterziehung und die Geldwäscherei zu erschweren, andererseits aber auch, um die Geldpolitik der Notenbanken bei negativen Zinsen zu erleichtern.

 

Junge verzichten immer mehr darauf, ihre Käufe bar zu zahlen. Ist Bargeld also nicht ohnehin ein Auslaufmodell?

Es gibt in vielen Ländern mittlerweile sehr viele Bezahl-Apps, die gut und auch grenzüberschreitend funktionieren und sehr einfach zu bedienen sind. Dazu gehört etwa die englische App Revolut, die sich rasant verbreitet. Gut funktionierende Bezahl-Apps gibt es mittlerweile in sehr vielen Ländern, sogar in Afrika. Die schweizerische Lösung Twint ist dagegen eine rein nationale Lösung. Leider.

 

Dabei hätte Bargeld durchaus Vorteile gegenüber dem elektronischen Geld.

In der Tat: Es schützt die Privatsphäre, erleichtert die Budgetkontrolle, ist sicht- und greifbar und funktioniert insbesondere auch bei Problemen der elektronischen Systeme.

 

Und was ist Ihre Prognose zur Zukunft des Bargelds?

Bargeld wird verschwinden, dazu stehe ich. Die Frage ist nur, wann. Es könnte sehr rasch gehen.

 

Auch in so bargeldorientierten und konservativen Ländern wie der Schweiz?

Es braucht nur zwei, drei Skandale mit Bargeld, und dann kann ein Verbot fast über Nacht erfolgen. So, wie dies schon beim Bankgeheimnis der Fall war. Dieses wurde vom Bundesrat Knall auf Fall aufgegeben, als der UBS 2008 nach einer Klage in Florida der Entzug der US-Banklizenz drohte.

 

Zurück zum elektronischen Geld: Was sind die Vorteile der Kryptowährungen gegenüber Bargeld?

Speziell der Bitcoin wird im Moment nicht in erster Linie als Zahlungsmittel, sondern als Anlagemittel verwendet. In der Tat hat er viele Eigenschaften von Gold, ist aber viel praktischer als das gelbe Metall: Er verursacht nur geringe Aufbewahrungskosten, und auch die Transaktionskosten sind klein. Wenn sich Kryptowährungen aber als Zahlungsmittel auf breiter Front durchsetzen sollen, müssen sie deutlich weniger preisvolatil werden. Als alternative Anlage werden sich Kryptoassets aber schon bald als Portfolioergänzung etablieren.

 

Welches System hat die grössten Chancen, dereinst Bargeld ersetzen zu können? Kartengeld, Kryptowährungen, Bezahl-Apps?

Die technologische Entwicklung verläuft momentan so rasch, dass es unmöglich ist, vorauszusagen, welche Zahlungsmethode sich schliesslich durchsetzen wird.

 


Der 56-jährige Aleksander Berentsen ist Professor für Wirtschaftstheorie an der Universität Basel mit den Forschungsschwerpunkten Geldtheorie und Geldpolitik. Studiert hat der passionierte Tennisspieler an der Universität Bern und an der London School of Economics. Er ist und war als Berater verschiedener Notenbanken tätig, auch bei der Schweizerischen Nationalbank.

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