
Teilen als Lebensstil
Nutzen statt besitzen – das ist kein neues Konzept. Bibliotheken, Genossenschaften oder die gemeinsame Waschküche im Mehrfamilienhaus zeigen seit Jahrzehnten, dass Teilen funktioniert. Digitale Plattformen und Apps machen das gemeinsame Nutzen heute noch einfacher.
Dabei bedeutet Teilen nicht Verzicht, sondern bewussten Konsum. Wer nur gelegentlich ein Auto braucht, fährt mit einem gemeinschaftlich genutzten Fahrzeug günstiger – ohne Sorge um Reparaturen oder Parkplatz. Und wer auf selten benötigte Dinge in der Wohnung verzichtet, spart Geld und gewinnt Platz. Genau hier setzt die Wohnbaugenossenschaft Winterthur (GWG) mit der Siedlung Vogelsang an.
Das ungeliebte «graue Zimmer»
«Wir nennen es das graue Zimmer», erzählt Geschäftsführer Andreas Siegenthaler. «Dieses Zimmer mit Gästebett, Hometrainer, Bügelbrett und Büroecke. Niemand liebt es und niemand nutzt es wirklich. Aber es kostet – jeden Monat mehrere Hundert Franken.» Als die alte Gründersiedlung Vogelsang abgerissen und durch einen Neubau mit 40 Erdsonden und einer Photovoltaik-Anlage für die 150 Wohnungen ersetzt wurde, setzte sich die Genossenschaft ein klares Ziel: Alles, was dieses Zimmer bietet, soll zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen.
Fit ohne Abo, mobil ohne eigenes Auto
Heute gibt es im Vogelsang vieles – nur nicht in jeder Wohnung: Recyclingraum, Gemeinschaftsbüro, Holzwerkstatt, Musikzimmer oder einen Pizzaofen. Zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner trainieren regelmässig im Fitnessraum. Gäste? Kein Problem, es gibt Gästezimmer zur temporären Nutzung. Und 60 der 150 Haushalte nutzen die beiden Leihautos der Siedlung.
Der Gummiboot-Götti und die Zuckerwatte-Gotte
«Warum sollte jeder Haushalt einen Akku-Fensterreiniger, ein Gummiboot oder eine Zuckerwattemaschine besitzen?», fragt Siegenthaler. Stattdessen setzt die Siedlung auf einen digitalen Leihraum, ergänzt durch ein Patensystem. Wer ein Gerät besonders gut kennt, wird dessen Gotte oder Götti und damit Ansprechperson für Ausleihe und Pflege. Besitzerin ist die Genossenschaft. Das senkt Hemmschwellen: «Wenn mir Frau Huber ihr persönliches Gummiboot leiht und ich mache es kaputt, ist das schwierig», sagt Siegenthaler. «Gehört es aber der Genossenschaft, ist es viel entspannter.»
«Im Vogelsang gibt es vieles – nur nicht in jeder Wohnung.»
Begegnungen fördern
Im Vogelsang begegnen sich die Menschen - ob beim Waschen in einer der zwölf rund um die Uhr zugänglichen Waschküchen oder beim Ausleihen eines grossen Reisekoffers. «Da fragt der Nachbar: ‹Wohin geht’s denn? Ah, da war ich auch schon, da kenne ich ein gutes Restaurant.› So entstehen Gespräche», erzählt Siegenthaler. Deshalb haben die Wohnungen auch keine von innen, elektrisch bedienbare Sonnenstoren, sondern Fensterläden. Sie schaffen beim Öffnen und Schliessen Sichtkontakt und fördern spontane Begegnungen.
(Foto: Markus Ritzmann)
Konflikte? Fehlanzeige
Trotz intensiver gemeinsamer Nutzung gibt es kaum Konflikte. Geht ein Gerät kaputt, wird es repariert oder ersetzt. Und der Recyclingraum, rund um die Uhr geöffnet, verhindert Diskussionen über falsch entsorgte Abfallsäcke. Falls doch einmal jemand Glas im PET-Container deponiert, kümmert sich die Hauswartung darum.
Was im Vogelsang gelebt wird, ist mehr als ein Trend. Die Siedlung zeigt, dass Teilen Geld spart, Ressourcen schont, Begegnung schafft – und vor allem: dass es funktioniert.
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